Vorgeschichte
Die Zeit des Videokassettenrecorders (VCR) neigt sich ihrem Ende
entgegen.
Wer seinen VCR ablösen will, landet unweigerlich bei
DVD-Recordern.
Der HiFi/Video-Markt bietet aber nur DVD-Recorder mit analogen
Video-Eingängen
an. Die Sendeanstalten liefern das Video aber via DVB (digitales Sat-
oder
Kabelfernsehen bzw. DVB-T) als hervorragend komprimieren
MPEG-2-Datenstrom
an. Kein DVD-Recorder kann einen MPEG-Datenstrom gleicher Qualität
erzeugen, wenn er das analoge Videosignal on-the-fly in MPEG codieren
muss.
Das vom DVD-Recorder erzeugte File ist doppelt so groß wie das
Originalfile,
und trotzdem von geringerer Qualität. Wer auf Qualität (und
geringe
DVD-Rohlingskosten)
wert legt, muss also den analogen Umweg vermeiden, und das
digitale
Signal aufzeichnen.
Am 11.9.2001 (konnte ja nur schief gehen) kaufte ich mir einen digitalen Satellitenreceiver mit Festplatte. Ein-einhalb Jahre später, nach 2 Softwareupdates, war das Gerät in der Lage relativ zuverlässig Sendungen aufzunehmen und wiederzugeben. Allerdings bot es keine Möglichkeit, aufgezeichnete Sendungen digital auf den PC zu überspielen, damit eine Archivierung auf DVD möglich wäre. Alle großen Hersteller von Heimelektronik scheinen Angst davor zu haben, die legale Möglichkeit einer digitalen Kopie von TV-Programmen anzubieten.
Anfang 2002 kaufte ich mir eine digitale Satellitenkarte (DVB-S) für meinen PC. Mein Plan war es, digital ausgestrahlte Fernsehprogramme auf der Festplatte aufzuzeichnen, und anschließend auf DVD zu brennen. Nach vielen Anfangsproblemen klappte das dann auch ganz gut, aber einige Probleme blieben ungelöst. Diese Probleme liegen vor allem in der mangelhaft funktionierenden Software der DVB-S-Karte. Da die gleichen Probleme in Internetforen auch von anderen Nutzern geschildert wurden, kann es sich dabei nur um ein Softwareproblem handeln, das vom Kartenhersteller behoben werden muss. Dieser hat aber schon seit über einem Jahr nichts unternommen, um das Problem zu beheben. Ich bin in einer Sackgasse gelandet.
Während meiner Beschäftigung mit dem Thema DVB-S,
habe
ich viele interessante Programme ausprobiert. Dabei zeigte sich immer
wieder,
dass Freeware-Programme zuverlässiger funktionierte als
kommerzielle
Software. Insbesondere arbeiten die Freeware-Programmierer engagiert an
der Verbesserung ihrer Software, und beseitigen Probleme so schnell wie
möglich. Kommerzielle Programme werden deutlich schlechter
gewartet,
schließlich hat der Kunde ja schon bezahlt, und für Bugfixes
kann man kein zusätzliches Geld mehr verlangen. Stattdessen wird
eine
mit neuen Features überladene neue Version an den Kunden verkauft,
die neben den alten Problemen natürlich auch neue Probleme mit
sich
bringt. Aus ökonomischer Sicht kann ich das durchaus verstehen,
nur
bleibe ich als User dabei auf der Strecke.
Deshalb habe ich beschlossen, das Thema DVB-S vollständig neu anzugehen. Von Klaus Schmidinger wurde mit VDR (Linux video disk recorder) eine Linux-Software geschaffen, die meinen Ansprüchen zu entsprechen scheint. So beschloss ich, einen wohnzimmertauglichen PC als Multimediacenter auf Linux-Basis zusammenzustellen.
Warum gerade VDR?
1. VDR ist freie Software, die auf einem freien Betriebssystem (Linux)
läuft.
2. Dem Benutzer präsentiert sich VDR wie ein normaler Sat-Receiver
und nicht wie ein Computer. Dadurch hat er einen hohen WAF (woman
acceptance
factor).
3. Für VDR reicht ein Prozessor der 400-MHz-Klasse, dadurch wird
wenig Hitze erzeugt, und eine leise Kühlung ist erreichbar.
4. Eine aktive Community entwickelt die einzelnen Bestandteile des
VDR ständig weiter, und integriert neue Funktionen.
5. VDR ist in der Lage, digital ausgestrahlte Fernsehprogramme auf
der Festplatte aufzuzeichnen, und anschließend auf DVD zu
brennen.
Was leistet ein VDR?
- digitaler Sat-TV-Empfang mit Timeshift
- Aufzeichnung des TV-Programms auf Festplatte
- selbständiges Suchen und Aufzeichnen von TV-Sendungen (z.B.
entsprechend gewählter Schlüsselworte im Titel der Sendung)
- Brennen von Aufzeichnungen auf DVD (mit DVD-Brenner)
- Wiedergabe von MP-3
Warum kann ein VDR nicht oder nur
schlecht/umständlich/langsam...?
- analoger TV-Empfang (nur mit schnellem Prozessor, experimentell)
- Wiedergabe von Fotos (zu langsam)
Ich habe also beschlossen, mit einen HTPC (home theatre personal computer) zu bauen, also einen Multimedia-PC für's Wohnzimmer. Es gibt eine Reihe verschiedener Softwarelösungen für dieses Problem. Meine Wahl fiel (wie oben schon erwähnt) auf VDR unter Linux.
Die Hardware für VDR (Linux video disk recorder) ist ein normaler PC mit digitaler TV-Karte (DVB-S, -C, -T) und TV-Ausgang (benutzt wird der TV-Ausgang der DVB-Karte). Er kann TV-Sendungen auf Festplatte aufzeichnen und über den TV-Ausgang wiedergeben. Über ein DVD-Laufwerk können (unverschlüsselte) DVDs wiedergegeben werden. Er ist also die Kombination eines DVD-Players mit einem digitalen Sat-Receiver mit Festplatte.
Ebenfalls möglich ist die Wiedergabe von Audio-CDs, MP3- u.a.
Der Schwerpunkt liegt aber eindeutig auf
DVB-S-Empfang,
was sich im unterschiedlichen Bedienkomfort widerspiegelt.
Während
DVB-Empfang/Aufzeichnung/Wiedergabe flüssig und intuitiv bedient
werden
kann, wirken z.B. Musik-, Video- und Foto-Wiedergabe wie
nachträglich
'angeflanscht', und das sind sie ja auch - als Plugin. Natürlich
sind
auch die Plugins voll funktionstüchtig, ihre Bedienung weicht aber
hin und wieder von der Bedienung des DVB-Teils ab, was das intuitive
Bedienen
erschwert.
Über ein Netzwerk (LAN oder WLAN) können Video- oder Audiodaten auf andere PCs überspielt, oder von denen bezogen werden. Auch die Programmierung des Timers des VDR ist über das Netzwerk möglich (mit Web-Interface).
Manche VDRs haben einen DVD-Brenner. Sie können zum Schneiden von Aufzeichnungen (Werbung entfernen) und zum Brennen von DVDs benutzt werden.
Mein VDR sollte folgendes können (und kann es inzwischen auch):
Eigentlich sollte man ein Linux installieren, sich dann die
Quelltexte
des originalen VDR herunterladen und compilieren. Für den
Anfänger
gibt es aber eine viel einfachere Lösung:
Es gibt bootfähige CDs, die auf einem 'jungfräulichen' PC
ein minimales Linux (meist Debian) und einen VDR automatisch
einrichten.
Es gibt mehrere solche Distributionen, z.B.:
Ich versuchte zunächst die ctVDR-Variante einsetzen.
CtVDR gibt es inzwischen in der Version 3. Es gibt eine bootfähige
CD, die ein Debian-Linux und den VDR installiert.
Später stieg ich auf die LinVDR-Distribution V0.7 (VDR-Version
1.3.17, Linux-Kernel 2.6.9) um.
Neben dem nackten VDR gibt es diverse Erweiterungen als Plugin, von denen in den Distributionen bereits viele enthalten sind. Ich benötige anfangs wenigstens folgende:
Für einen ungeübten
Linux-Neuling
ist die Installation aber nicht trivial.
Nach anfänglichen Problemen, (die sich letztendlich als ein zu
langes Sat-Kabel mit schwachem
Signal
entpuppten) läuft der VDR stabil.
Er kümmert sich selbständig darum, dass alle Sendungen, die
ich für gewöhnlich schaue, auf die Festplatte aufgenommen
werden,
indem er die EPG-Daten nach Schlagwörtern durchsucht, und
entsprechend
Timer automatisch stellt.
Das gleichzeitige Aufnehmen von 2 Sendungen ist ist immer möglich.
Oft lassen sich auch 4 oder mehr Sendungen gleichzeitig aufzeichnen
(das
hängt davon ab, auf welchen Transpondern die Sender liegen).
Ich kann aufgezeichnete TV-Sendungen ohne Qualitätsverlust auf
DVD brennen.
Der VDR spielt MP-3-Musik von seiner Festplatte und vom
Linux-Fileserver
ab.
Nichts ist perfekt:
Bei der Wiedergabe kommt es gelegentlich (und nur wenn gleichzeitig
mehrere Aufnahmen laufen) zu einer leichten Unsynchronität
zwischen
Bild und Ton, die sich durch Stoppen und Starten der Wiedergabe meist
beseitigen
lässt.
Das Herausschneiden der Werbung aus Filmen funktioniert gut. Der
Werbungsbeginn
wird recht präzise gefunden, das Ende der Werbung zumindest grob.
Das Brennen von Filmen auf DVD klappt meistens (ca. jede 50. Aufnahme
verweigert sich dem Brennen aus unbekannten Gründen, unter Windows
gab es da mehr Probleme).
Ein Einschalten per Fernbedienung ist noch nicht realisiert. (Wäre
aber an einem Bastelabend zu schaffen.)
HDTV wird nicht möglich sein, aber das ist in Deutschland von
2010 sowieso kein großes Thema.
DivX-Wiedergabe ruckelt gelegentlich (benutze ich sowieso nicht)
Die Geräuschentwicklung (Lüfter, HD) ist nach einigem
Experimentieren gering, hier bin ich aber noch nicht zufrieden.
Wer einen eigenen VDR aufbauen will, sollte vorab die zu verwendende
Hardware sehr gründlich planen, um ein leises low-power-System
aufzubauen.
Dann bleiben einem einige Klimmzüge erspart.
Ein Festplattenreceiver
verändern die Fernsehgewohnheiten seines Benutzers nachhaltig.
1.
Ich schaue kaum noch live TV. Allerhöchstens die Nachrichten
erreichen mich in "Echtzeit". Einmal am Tag schaue ich in die
TV-Programmzeitschrift, um Timer für interessante Sendungen zu
setzen. Dann schaue ich, welche interessanten Aufzeichnungen sich auf
der Festplatte angesammelt haben, und wähle etwas interessantes
davon für den Fernsehabend aus. Die meisten Aufzeichnungen wurden
durch
Autotimer vom VDR selbständig aufgenommen. Meist schaue ich mir
den Krimi oder die Serienepisode von Gestern oder Vorgestern an - oder
auch von voriger Woche.
Wenn ich mir eine Sendung vom gleichen Tag anschaue, dann tue ich das
mit
mindestens 30 Minuten Zeitversatz. Dadurch kann ich die Werbung
überspringen.
2.
Mich hat seit Jahren keine
TV-Werbung mehr erreicht. Das wirkt sich auf meine Kaufverhalten aus.
Bekannte von mir kaufen Dinge, deren Sinn sich mir nicht
erschließt. Durch Werbung wurde bei ihnen aber offensichtlich ein
Bedürfnis für diese Dinge geschaffen.
Von Werbung unbeeinflusst
beurteile ich den Gebrauchswert von Waren anders als viele Menschen
meiner Umgebung. Ich habe das deutlich bemerkt, als ich versuchte einen
neuen AV-Verstärker oder ein neues Auto für mich zu
finden. Ich überlegte zuerst, welche Eigenschaften ein neues
Produkt haben sollte, damit es meinen Bedürfnissen
entspricht. Dann versuche ich soetwas im Einzelhandel zu finden.
Damit treibe ich regelmäßig Verkäufer zur Verzweiflung.
Der normale Werbekunde lässt sich von der Werbung sagen, was
er braucht, und dann kauft er auch genau das, was beim Händler
schon für ihn bereitsteht. Diese Menschen haben es einfacher!